Flucht aus Kabul: Ein Vortrag von Vanessa Schlesier

Vanessa Schlesier, freie Journalistin und ehemalige Schüler des Ludwig-Frank-Gymnasiums, berichtete im Rahmen des „Philosophischen Cafés“ von ihrer Tätigkeit für die zivile Initiative „Kabul Luftbrücke“. Sie setzt sich in Afghanistan persönlich dafür ein, dass gefährdete Menschen, vor allem Frauen und Kinder, nach der Machtergreifung der Taliban evakuiert werden.

Die Schülerinnen und Schüler waren von ihrem Engagement beeindruckt. Einige Stimmen geben stellvertretend die Eindrücke wieder:

„Ich fand das Philosophische Café, bei dem Vanessa Schlesier, eine ehemalige Schülerin des LFG, zu Gast war, ziemlich gelungen. Es ist sehr beeindruckend, aber auch inspirierend zugleich, mit was für einem Elan sie ihre Tätigkeit in Afghanistan durchführt. Das ist nicht selbstverständlich und man sollte dies natürlich anerkennen. Lobenswert war, dass sie den Vortrag souverän gehalten hat, obwohl sie eine Woche vorher noch in Kabul war. Sie hatte praktisch keine Zeit zur Vorbereitung, hat aber sehr viel erzählen können und man konnte auch durch die Videos viele interessante Eindrücke sammeln, vor allem davon, wie sehr die Taliban das Land beeinflusst.“ (Jannis S.)

„Frau Vanessa Schlesier begeisterte mit ihren Erlebnissen aus Afghanistan. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen teilte sie informativ, aber auch emotional mit den Schülern. Ein kleiner Einblick in die aktuelle Lage in Afghanistan, über die Umstände und nationalen Regelungen, mit erschreckenden Wahrheiten und hoffnungsvollen Erlebnissen. Eine Informationsquelle aus erster Hand! Man kann nur riesigen Respekt zollen vor der Arbeit und dem Aufwand, welchen Frau Schlesier betreibt. Eine unbeachtete Heldenfigur und eine wahre Inspiration, die am LFG ihren Anfang fand!“ (Alp A.)

„Mich hat fasziniert, dass das alles zufällig zustande gekommen ist. Sie riskiert selbst auch ein bisschen ihr eigenes Leben, um anderen Menschen aus dem Land zu helfen. Vor allem Personen aus Kabul, insbesondere Frauen, bekommen eine Chance auf ein neues Leben in Pakistan bzw. dann auch in Deutschland.“

„Sehr wichtiges und gutes Thema. Sie war sehr aufgeregt und man hat gemerkt, wie wichtig es ihr war. Ein persönlicher Bericht ist besser als Nachrichten, der Eindruck von den vernachlässigten Kindern und Frauen war sehr traurig.“

Auch der Mannheimer Morgen hat über die Veranstaltung berichtet:

Mannheim. Die Turnhalle des Ludwig-Frank-Gymnasiums ist großzügig bestuhlt – Corona. Trotzdem blicken noch mehr als 70 Schüler und Schülerinnen sowie Lehrerinnen und Lehrer auf die Leinwand: Ein Video, das aus einem Auto heraus gefilmt worden ist. Hohe Felswände erstrecken sich auf der rechten Seite des Autos, das hinter einem Bus herfährt. Links lassen sich Schluchten erahnen.

In der Mannheimer Turnhalle ist die Spannung spürbar. Gesprochen wird kaum – nur die Stimme von Vanessa Schlesier ist zu hören. Immer mal wieder sind im Film Laserstrahlen zu erkennen. „Das sind die Talibs, die in den Bergen sitzen und gucken, wer da fährt“, erklärt Schlesier. „Sie wollen zeigen: ,Wir sind da. Wir überwachen das Land. Wir haben hier die Kontrolle.’“

Die Kabul Luftbrücke finanziert ihre Hilfe ausschließlich über Spenden.
Die nimmt die Organisation dankend auf ihrer Webseite entgegen: kabulluftbruecke.de.
Vanessa Schlesier ist schon an vielen Orten gewesen, an denen man zum jeweiligen Zeitpunkt nicht hätte sein wollen: Aus dem Nahen Osten hat sie genauso über Krieg berichtet wie aus Afrika über humanitäre Krisen. Seit Monaten arbeitet Schlesier nun in und um Afghanistan. Aus dem Nachbarland Pakistan heraus engagiert sich die Mannheimerin mit der Organisation Kabul Luftbrücke dafür, Menschen aus Afghanistan zu evakuieren, die unter anderem während der 20-jährigen Besatzungszeit für deutsche Organisationen gearbeitet haben (wir berichteten).

Kurz vor Weihnachten ist sie mal wieder in ihrer Heimat. Schlesier wurde 1984 in Mannheim geboren und hat ihr Abitur am Ludwig-Frank-Gymnasium gemacht. An jener Schule spricht die Journalistin nun als Gast im „Philosophische Café“, einem Veranstaltungsformat des Gymnasiums, über ihr Engagement.

Tausende warten an der Grenze

Mehrere Menschen, die die Kabul Luftbrücke nun evakuieren, sitzen im Bus, hinter dem Schlesier und ihre Begleiter durch eine der vielen Gebirgszüge Afghanistans herfahren, erklärt sie. Frauen hätten sie bewusst an die Fenster gesetzt, denn den Organisatoren sei nach und nach aufgefallen: „Sobald die Taliban sehen, dass Frauen in den Bussen sitzen, kontrollieren sie nicht mehr und die Busse werden an den Checkpoints durchgewunken.“ Eine Schülerin will die genaueren Gründen dafür erfahren. „Frauen sind in Afghanistan Besitz ihres Mannes. Das heißt, der Mann, der an dem Checkpoint kontrolliert, darf der Frau im Prinzip noch nicht ins Gesicht gucken“, erklärt Schlesier.

Ortswechsel: Das Video zeigt die Grenze zu Pakistan. Tausende Menschen stehen hier an. Unter ihnen sind fünf Geschwister zwischen sechs und 17 Jahren – ihre Mutter ist bereits in Deutschland. „Der Fall ist einer der Gründe, warum ich zuletzt so lange in Afghanistan geblieben bin“, erklärt Schlesier und berichtet von ihrer dramatischen Fluchtgeschichte. Weil eine Aufnahmezusage vorliegt, hätten Schlesier und ihre Organisation die Kinder aus einem Versteck holen können.

„Egal, wo auf der Welt: Wenn man mit kleinen Kindern interagiert, kommt ein Lächeln zurück“, sagt Schlesier. „Der kleine Junge hat gar nicht mehr gelacht.“ Erst nach „wahnsinnigen intensiven“ Tagen unter Obhut der Fluchthelfer habe er das Lächeln wiedergefunden. „Einen so extremen Grat an Traumatisierung habe ich selten gesehen.“

Sebastian Koch